Ideen für einen neuen
Mathematik-Unterricht (1/3) / © 1979-2001 by Franz Gnaedinger, Zurich, fg(a)seshat.ch,
fgn(a)bluemail.ch / www.seshat.ch
Ideen für einen neuen Mathematik-Unterricht
Was für Muster kann man mit 9 Steinchen auslegen? Hier
ein paar Versuche, inspiriert von paläolithischen Felsgravuren in Höhlen der
Ile de France (Paris und Umgebung), wie sie in den Büchern von Marie E.P. König
zu sehen sind.
Aufgabe Finde
weitere Muster, auch mit einer grösseren Anzahl von Steinchen ♣
A very simple computer
Please draw a grid with 3 rows of 3 squares and number
them 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9. Add four squares as above and mark two of them
with the number zero, and the other two with the letter X (Roman ten). Inscribe
the number 0 twice and twice the letter X. Now use a set of pretty pebbles, or
polished mineral disks, or beans, and you have got a very simple computer ...
How to use it? First, let us consider just the nine
central fields numbered from one to nine. Let us place four small pebbles (or
mineral disks, or beans) at the corners like this:
1 2 3
o . o 1 . 3
4 5 6
. . . . . .
1 + 3 + 7 + 9 = 20
7 8 9
o . o 7 . 9
The pebbles (or mineral disks, or beans) represent the
numbers 1, 3, 7, 9, and add up to 20. Now let us play with the pebbles. Move
one pebble to the right hand side and another one to the left hand side. The
resulting sum will again be 20:
1 2 3
. o o . 2 3
4 5 6
. . . . . . 2 + 3 + 7 + 8 = 20
7 8 9
o o . 7 8 .
Now move one pebble downwards, another one upwards.
The sum will remain 20:
1 2
3 . . o . . 3
4 5 6
o o . 4 5 . 3 + 4 + 5 + 8 = 20
7 8 9
. o . . 8 .
Move one pebble downwards two fields, and two other
pebbles upwards one field each. The sum will remain 20:
1 2 3
o o . 1 2 .
4 5
6 . . . . . .
1 + 2 + 8 + 9 = 20
7 8 9
. o o . 8 9
Move one pebble downwards in an oblique direction and
another upwards in the parallel direction. The sum will remain 20:
1 2 3
o . . 1 . .
4 5 6
o . o 4 . 6 1 + 4 + 6 + 9 = 20
7 8 9
. . o . . 9
Move one pebble two fields towards the right, and
another one two fields towards the left. The sum will remain 20:
1 2 3
. . o . . 3
4 5 6
o . o 4 . 6 3 + 4 + 6 + 7 = 20
7 8 9
o . . 7 . .
Move one pebble to the left hand side and one to the
right hand side. The sum will remain 20:
1 2 3
. o . . 2 .
4 5 6
o . o 4 . 6 2 + 4 + 6 + 8 = 20
7 8 9
. o . . 8 .
All the above patterns represent the number 20. Two of
them are shown again below:
o . o
1 . 3 . o . . 2 .
. . .
. . . o . o 4 . 6
o . o
7 . 9 . o . . 8 .
Task: Using three pebbles, lay out the number 15. Move
the pebbles about in the above manner, find all the possible variants, and draw
them on paper.
Now let us go a step further. Using that very simple
number field plus the four additional squares marked 0 and X we can add up
small numbers. An example: How much is 1 plus 4 plus 8 plus 3? Place pebbles
(or mineral disks, or beans) on the respective squares:
0
0 1 2 3
o . o 1 . 3
4 5 6
o . . 4 . . sum = ??
7 8 9 X
. o . . 8 .
X
Now try to move as many pebbles as possible from the
center field to the four side fields, whereby each move must be followed by a
counter-move. You may proceed in this way:
0 0
0
o . o
0 . . o 0 . . . 0 . . .
0 . . .
o . .
o . . . . . . . o . . 6
. o .
. . o o . o . . . . . .
X X
Result: two zeroes, one six, a Roman ten, sum sixteen.
Checking the result on a pocket calculator: 1 + 4 + 8 + 3 = 16.
1 plus 3 plus 7 plus 9 should equal 20:
. 0
o . o
0 . . o 0 . . .
. . .
. . . . . .
0 + 0 + X + X = 20
o . o
o . . X . . . X
X
2 plus 4 plus 6 plus 8 should again equal 20:
X
. o .
o . . 0 . . . 0 . . o 0 . . .
o . o
o . o o . o . . . . . .
. o .
. . o . . . X o . . X . . . X
0
A couple of tasks: How much is 4 times 4? 5 times 5? 6
times 6? Place four beans on field 4, or five beans on field 5, or six beans on
field 6, and proceed as above ♣ How much is 3 times 7? Place three beans
on field 7 and proceed as above ♣ How much is 7 times 3? Place seven
beans on field 3 and proceed as above ♣ 1 plus 8 plus 3x5 minus 7 = ??
Place the beans on the respective fields, move them in such a way that one of
them comes to lay on field 7, remove that bean, and proceed again as above.
Variants: You may lay out cotton or felt squares on
the classroom floor, sit around them,
use larger pebbles, and discuss the moves. Or you may draw a large field
with chalk on the floor of a school-yard, and the children may act as numbers
...
Such games might give children a feeling for numbers
and take away their fear of the mathematical disciplines.
A more demanding calculating board
How much is 24 times 25? This calculation may be
carried out using a calculating board consisting of three fields and two lines,
small beans for the number 1 (here given by the letter o), and large beans for
the number ten (here given by the letter X). As a first step lay out the number
24 in the above line, then the number 10x24 = 240 in the second line. For the
second step multiply the first line by a factor of 2, and the second line by a
factor of 5. Finally, add the numbers together. If you have proceeded
correctly, you will obtain 600
Task: How much is 625 times 625? (this problem
requires a calculating board consisting of 6 fields of 3 lines each).
Der allereinfachste Computer
0
1 2 3
0 . . .
4 5 6 . . .
7 8 9 . . . X
0
Das Wort Computer kommt vom lateinischen computare =
zusammenrechnen, berechnen. Ein einfacher Computer wäre ein Spielfeld aus 3 mal
3 gleich 9 Feldern, welche die Zahlen von 1 bis 9 repräsentieren; dazu kämen je
zwei Felder mit dem Zahlenwert 0 und X = römisch Zehn.
Man lege Steinchen (zum Beispiel geschliffene
Mineralien-Scheibchen) auf die Felder. Jedes von ihnen nehme den Wert seines
Feldes an. Ein Beispiel. Ich lege je ein Steinchen auf die Ecken des Spielfeldes
und bekomme so die Zahlen 1, 3, 7, 9 mit der Summe 20:
1 2 3
o . o 1 . 3
4 5 6
. . . . . . 1 + 3 + 7 + 9 = 20
7 8 9
o . o 7 . 9
Nun können wir mit den Steinchen spielen. Ich verschiebe
eines nach rechts und dafür ein anderes nach links, so bleibt die Summe 20
erhalten:
1 2 3
. o o . 2 3
4 5 6
. . . . . . 2 + 3 + 7 + 8 = 20
7 8 9
o o . 7 8 .
Man bewege ein Steinchen nach unten, ein anderes nach
oben:
1 2 3
. . o . . 3
4 5 6
o o . 4 5 . 3 + 4 + 5 + 8 = 20
7 8 9
. o . . 8 .
Man bewege ein Steinchen um zwei Felder nach unten,
dafür zwei andere je um ein Feld nach oben:
1 2 3
o o . 1 2 .
4 5 6
. . . . . . 1 + 2 + 8 + 9 = 20
7 8 9
. o o . 8 9
Man bewege ein Steinchen schräg nach unten, das andere
parallel nach oben:
1 2 3
o . . 1 . .
4 5 6
o . o 4 . 6 1 + 4 + 6 + 9 = 20
7 8
9 . . o . . 9
Man bewege ein Steinchen zwei Häuschen nach rechts,
das andere zwei Häuschen nach links:
1 2 3
. . o . . 3
4 5 6
o . o 4 . 6 3 + 4 + 6 + 7 = 20
7 8 9
o . . 7 . .
Man schiebe ein Steinchen nach rechts, ein anderes
nach links:
1 2 3
. o . . 2 .
4 5 6
o . o 4 . 6 2 + 4 + 6 + 8 = 20
7 8 9
. o . . 8 .
Alle obigen Muster bilden die Zahl 20 ab, das erste
mit ungeraden, das letzte mit geraden Zahlen:
o . o
1 . 3 . o . . 2 .
. . .
. . . o . o 4 . 6
o . o
7 . 9 . o . . 8 .
Als nächstes kann man mithilfe dieses einfaches
Computers addieren. Wieviel gibt 1 plus 4 plus 8 plus 3? Man lege Steinchen auf
die entsprechenden Felder und führe beliebige Züge aus - mit der Auflage, dass
auf jeden Zug ein Gegenzug im obigen Sinne folge. Wenn ein Steinchen links oben
oder rechts oben aus dem Spielfeld verschwindet (0), so nimmt es den Wert Null
an, wenn dafür ein Steinchen links unten oder rechts unten aus dem Spielfeld
verschoben wird (X, römisch Zehn), nimmt es den Wert 10 an. Ein Beispiel.
Wieviel ergibt 1 plus 4 plus 8 plus 3?
0
0 1 2 3
o . o 1 . 3
4 5 6
o . . 4 . . Summe gleich ??
7 8 9 X
. o . . 8 .
X
Ich schiebe ein Steinchen nach links aus dem Feld (0)
und eines um ein Häuschen nach rechts; dann schiebe ich ein Steinchen nach oben
aus dem Feld (0) und ein anderes um ein Häuschen nach unten; dann schiebe ich
dasselbe Steinchen nach unten aus dem Feld (X), und als Gegenzug das
verbleibende Steinchen um ein Häuschen nach oben:
0 0 0
o . o
0 . . o 0 . . . 0 . . .
0 . . .
o . .
o . . . . . . . o . . 6
. o .
. . o o . o . . . . . .
X X
Als Ergebnis bekomme ich zweimal 0 gleich Null, einmal
X gleich 10, und einmal 6, macht zusammen 16. Es gäbe mehrere Lösungswege
(bitte ausprobieren); alle führen zum selben Ergebnis. Probe mit dem
Taschenrechner: 1 + 4 + 8 + 3 = 16. / 1 plus 3 plus 7 plus 9 sollte 20 ergeben,
desgleichen die Summe 2 plus 4 plus 6 plus 8:
. 0
o . o
0 . . o 0 . . .
. . .
. . . . . . 0 + 0 + X + X = 20
o . o
o . . X . . . X
X
X
. o .
o . . 0 . . . 0 . . o 0 . . .
o . o
o . o o . o . . . . . .
. o .
. . o . . . X o . . X . . . X
0
Aufgaben Nimm 3
Steinchen, lege die Zahl 15 aus, finde alle Varianten und zeichne sie auf
Papier. ♣ Wieviel gibt 4 mal 4? Wieviel gibt 5mal 5? Wieviel gibt 6 mal
6? Lege 4 Bohnen auf das Feld Nummer 4 resp. 5 Bohnen auf das Feld Nummer 5
resp. 6 Bohnen auf das Feld Nummer 6 und verfahre wie oben. ♣ Wieviel
gibt 3 mal 7? Lege 3 Bohnen auf das Feld Nummer 7 ... ♣ Wieviel gibt 7
mal 3? Lege 7 Bohnen auf das Feld Nummer 3 ... ♣ 1 plus 8 plus 3x5 minus
7 gleich ?? Lege die Bohnen aus, bewege sie so dass eine auf Feld Nummer 7
kommt, hebe diese Bohne weg und fahre fort wie oben. ♣
Variante: die Felder mit Kreide auf den Boden zeichnen
oder mit Filzplatten auslegen, grosse Scheiben als Zahlsymbole verwenden, die
Züge besprechen.
Spiele solcher Art könnten Schulkindern in den ersten
Klassen ein Gefühl für Zahlen geben und ihnen vielleicht ein wenig die Furcht
vor der Mathematik nehmen.
Ein Rechenbrett für höhere Ansprüche
Wieviel gibt 24 mal 25? Diese Aufgabe lässt sich mit einem
Rechenbrett aus 3 Feldern und 2 Zeilen sowie gewöhnlichen Symbolsteinchen für
die Zahl Eins (o) und grösseren Symbolsteinchen für die Zahl (X) lösen. Man
lege die Zahl 24 in der ersten Zeile aus, dann die Zahl 10 mal 24 gleich 240 in
der zweiten Zeile. Danach multipliziere man die beiden Zeilen mit den Faktoren
2 und 5. Dann zähle man die Steinchen zusammen und wird 600 bekommen:
Aufgabe Wieviel
gibt 625 mal 625? Diese Multiplikation erfordert ein Rechenbrett mit 6 Feldern
à 3 Zeilen ♣
Goldenes Rechteck
Wer erinnert sich noch an die Definition des Goldenen
Schnittes? Wer könnte noch ein Goldenes Rechteck zeichnen? Hier eine sehr
einfache Methode zu seiner Approximation: Zeichne ein beliebiges Rechteck.
Ergänze eine der längeren Seiten zum Quadrat, so resultiert ein neues Rechteck.
Ergänze eine der längeren Seiten dieses Rechteckes zum Quadrat, so resultiert
wieder ein neues Rechteck. Und so weiter. Der Rahmen der Figur nähert sich dem
Goldenen Rechteck an:
Beginnt man mit dem Quadrat 1 mal 1, so findet man
beim Auszählen der Seitenlängen des wachsenden Rechteckes die sog.
Fibonacci-Folge
1, 1, 2, 3,
5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144...;
Beginnt man mit dem Rechteck 1 mal 3, so findet man
die sog. Lucas-Folge
1, 3, 4, 7,
11, 18, 29, 47, 76, 123, 199, 322 ...
Diese und weitere goldene Zahlfolgen lassen sich auch
numerisch gewinnen:
1 + 1 = 2
1 + 2 = 3
2 + 3 = 5
3 + 5 = 8
5 + 8 = 13
8 + 13 = 21
13 + 21 = 34
21 + 34 = 55
34 + 55
= 89
55 + 89 = 144
..............
1 + 3 = 4
3 + 4 = 7
4 + 7 = 11
7 + 11 = 18
11 + 18 = 29
18 + 29 = 47
29 + 47 = 76
47 + 76 =
123
76 +
123 = 199
123 + 199 = 322
..............
Das Spiel geht mit jedem beliebigen Paar
Anfangszahlen, etwa 2 und 7 respektive 7 und 2:
2 + 7 = 9
7 + 9 = 16
9 + 16 = 25
16 + 25 = 41
25 + 41 = 66
41 + 66 = 107
66 + 107 = 173
107 + 173
= 280 usw.
7 + 2 = 9
2 + 9 = 11
9 + 11 = 20
11 + 20 = 31
20 + 31 = 51
31 + 51 = 82
51 + 82 = 133
82 + 133 =
215 usw.
Man kann auch Fehler machen, die Zahlen bilden dennoch
eine goldene Folge:
1 + 4 = 5
4 + 5 = 11
5 + 11 = 16
11 + 16 = 27
16 + 27 = 43 usw.
1 + 2 = 3
2 + 3 = 4
3 + 4 = 7
4 + 7 = 12
7 + 12 = 19
12 + 19 = 31
19 + 31 = 50 usw.
Gitter
Die altsteinzeitlichen Felsgravuren in den Höhlen der
Ile de France (Paris und Umgebung) zeigen viele Netze oder Gitter, bisweilen in
Kombination mit einer runden Form, während ein Nummulitus perforatus aus einer
paläolithischen Siedlung in Ungarn ein feines eingraviertes Kreuz aufweist.
Gemäss der plausiblen Erklärung von Marie E.P. König symbolisieren die runden
Formen den Himmel, die eine Kreisachse und die zu ihr parallelen Gitterlinien
die Richtung Ost-West, die andere Kreisachse und ihre Gitterlinien die Richtung
Süd-Nord, und die aus den Linien gebildeten Häuschen die Himmelshäuser ...
Sollten die paläolithischen Rundformen und Gitter
wirklich auf den Himmel und seine überirdischen Mächte verweisen, so dürften
die Menschen jener Zeiten sehr wohl ein Interesse daran gehabt haben, solchen
ersten geometrischen Formen eine ganz besondere Beachtung zu schenken, denn wer
weiss, ob das Geheimnis der Himmelsmächte über ihr Abbild zu erforschen sei?
Gitter haben nicht nur eine symbolische Bedeutung: sie
führen geradewegs zur Geometrie und erschliessen selbst ein vor-archimedisches Verfahren
der Kreisberechnung, das in einem späteren Kapitel vorgestellt werden soll.
Die Gitter der Felsgravuren sind unregelmässig
geformt, was gewiss an dem harten Stein liegt. Wir können uns aber sehr wohl
vorstellen, dass einige Schamanen jener längst vergangenen Zeit an einem
Flussufer eine glatte Lehmbank vorfanden, einen gleichmässig runden Holzstab in
regelmässigen Abständen mit Baststreifen umwickelten, den Stab auf der Lehmbank
abrollten, erst in einer Richtung, dann in quer dazu, und auf solche Weise ein
nahezu perfektes Gitter bekamen, welches eingehende Studien erlaubte ...
Aufgaben
Versuche mit möglichst einfachen Mitteln, wie sie auch in der Steinzeit
zur Verfügung standen, ein genaues Gitter zu zeichnen ♣ Verbinde
Gitterpunkte mit Linien zu geometrischen Figuren ♣ Wenn solche Figuren
aus parallelen Linien gebildet werden, so sind ihre Flächen zwar von
angeschnittenen Häuschen eingerahmt, bestehen aber aus einer ganzen Anzahl
Häuschen. Begründe dies ♣ Erfinde Spiele ♣
Mit Ocker bemalte Kiesel aus der Steinzeit (siehe die
Bücher von Marie E.P. König) weisen einen oder mehrere Punkte auf und könnten
wohl als Zahlensteine gedient haben. Wie wurden sie gebraucht? Vielleicht in
Kombination mit Gittern? Lässt sich mit ihrer Hilfe gar eine Art steinzeitlicher
"Computer" im Sinne des ersten Kapitels rekonstruieren? Offene
archäologische Fragen, die vielleicht zum Spielen animieren. (Ich darf mich an
dieser Stelle als Fan der experimentellen Archäologie outen.)